Pfarrer Stephan Maus Predigt
02/14/21
Andacht mit Diakonin Sabine Junkermann-Fuchs | YouTube-Video
02/07/21
Lukas 8, 5-8
5 Ein Bauer ging aufs Feld, um seinen Samen zu säen. Als er die Körner ausstreute, fiel ein Teil von
ihnen auf den Weg. Dort wurden sie zertreten und von den Vögeln aufgepickt. 6 Andere Körner fielen
auf felsigen Boden. Sie gingen auf, vertrockneten dann aber, weil sie nicht genug Feuchtigkeit hatten.
7 Wieder andere Körner fielen mitten in Dornengestrüpp, das wuchs mit auf und erstickte das Korn.
8 Andere Körner schließlich fielen auf guten Boden, gingen auf und brachten hundertfache Frucht.«
Liebe Gemeinde,
Um das zu erreichen, was wir uns wünschen, braucht es Ausdauer und Geduld. Das wissen wir, das
haben wir alle schon oft erlebt. Rückschläge, Fehlentwicklungen sind Hindernisse, mit denen ich
rechnen muss, die aber einen Erfolg nicht zwangsläufig verhindern.
Im Kampf gegen die Coronapandemie spielen Ausdauer und Geduld eine zentrale Rolle. Da wird
enormes geleistet, aber auch deutlich, dass wir Menschen nicht beliebig lange über Geduld und
Ausdauer verfügen. Es gibt Branchen, die gerade boomen und andere, die kaum Auswirkungen zu
spüren bekommen. Da gibt es die, die auf sehr wechselhafte Wochen und Monate zurückblicken,
und jene gesellschaftliche Bereiche, denen nun seid fast einen Jahr Stillstand zugemutet wird. In so
einer Lage kommen Geduld und die Ausdauer an ihre Grenzen. Wenn die finanziellen Ressourcen
ausgeschöpft sind, liegen die Nerven blank. Aber gerade aus diesen Bereichen wurden in letzten
Wochen immer wieder Stimmen laut, die leidenschaftlich an die Disziplin ihrer Mitbürger
appellieren. Stimmen, die darum bitten, nur ja den Lockdown nicht zu früh zu beenden, damit statt
des permanenten Auf und Ab endlich auch ein Ende in Sicht kommen kann. Gerade für die
wirtschaftlich am stärksten Betroffenen bietet ein Durchwurschteln, in dem die momentane
Gefühlslage der breiten Mehrheit den entscheidenden Ausschlag gibt, keine wirkliche Perspektive.
Medien haben die Aufgabe, Fehler und Nöte aufzudecken. Aber ganz entscheidend ist, in welcher
Haltung dies geschieht. Ich stelle mich als Medienverantwortlicher nicht in die Tradition der
Aufklärung, wenn ich durch ein permanentes Skandalisieren Menschen in einem infantilen
Wunschdenken bestärke. Ja, es wäre schön, morgens aufzuwachen und alles wäre wieder wie früher.
Sehr Realistisch ist das aber nicht. Die meisten Menschen können mit so einem Wunschdenken
vernünftig umgehen, weil sie das in vielen anderen Situationen gelernt haben.
Diese weit verbreitete Kompetenz gilt es zu stärken, nicht nur um der Coronapandemie irgendwann
Herr zu werden, sondern um Menschen zu befähigen ein erfülltes Leben zu führen, auch wenn nicht
alle Wünsche sofort in Erfüllung gehen und manche Wünsche auch gar nicht.
Der Sämann in unseren Gleichnis nimmt so manchen Verlust in Kauf. In der modernen
Landwirtschaft hat die Steigerung von Effizienz sehr viel gutes bewirkt für alle Beteiligten, aber da
gibt es weiterhin Grenzen und Unverfügbares. Nicht alle Entwicklungen erweisen sich am Ende als
ausschließlich segensreich. Tierwohl, Umweltschutz und ein Einkommen, das die Erzeuger vor
permanenter Selbstausbeutung schützt, sind deshalb zentrale Ziele. Nur der Weg dorthin führt nicht
über romantisches Wunschdenken, sondern über ein ständiges Ausprobieren und Abwägen.
Ideologische Grabenkämpfe, die in Dauerscheingefechten medienwirksam ausgetragen werden,
helfen weder Mensch, noch Tier, noch Natur.
Nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in anderen Wirtschaftsbereichen braucht es Ausdauer
und Geduld. Wenn ein Produkt rasenden Absatz findet, nimmt dies die Öffentlichkeit mit
Bewunderung und/ oder Neid zur Kenntnis. Aber bevor dieses Produkt auf den Markt gehen konnte,
musste lange geforscht und getestet werden. Auch hier fällt der Erfolg nicht vom Himmel.
Aber wenn der dann da ist, verlieren er alle Mühen und Fehlentscheidungen schlagartig an Gewicht.
Das Gleichnis vom Säen will uns Mut machen. Es geht nicht um billiges Vertrösten, sondern um eine
realistische Erwartungshaltung.
Dir steht alles zu und zwar sofort. Wer solche Botschaften verkündet, will Menschen einfangen und
manipulieren, will mit pseudoemanzipatorischen Appellen Menschen in einem unreifen Stadium
ihrer Persönlichkeitsentwicklung festhalten, um sie vor den eigenen Karren spannen zu können.
Was so freundlich und vielversprechend klingt ist eine Falle und wir alle haben Anteile in uns, die auf
diesen Köder nur allzu gerne anspringen.
Aber die meisten von uns haben auch irgendwann gelernt, wie töricht so eine Verhalten wäre.
Manchmal geht es einfach nur darum, eine Erkenntnis, die ich einen Bereich meines Lebens längst
gemacht habe, in andere Lebensbereiche zu übertragen. Ob ich Landwirtin bin oder Handwerker,
Forscher oder Therapeutin, wenn ich versuche meine Arbeit gut zu machen, komme ich nicht um die
Erkenntnis herum, dass Geduld und Ausdauer hierfür unverzichtbar sind. Warum sollte dies in
anderen Lebensbereichen anders sein? Wieso sollte eine Partnerschaft auf Anhieb gelingen und
automatisch in ein immer währendes Glück münden? Wieso sollte es für komplizierte
gesellschaftliche Fragen einfache Antworten und schnelle Lösungen geben ? Wieso sollte der
Glauben etwas sein, zu dem ich mich einfach nur entschließen muss, um dann sofort glücklich und
sicher für alle Tage zu werden? Wieso sollte die Weitergabe des Glaubens ein Geschehen sein, dass
automatisch Früchte zeitigt, wenn ich mich nur genug anstrenge?
Jesus verwendet in vielen Gleichnissen Alltagsvorgänge, um die Menschen bei ihren Kompetenzen
abzuholen. Wenn ihr anderswo längst gelernt habt, realistisch und zuversichtlich zugleich die Dinge
anzugehen, warum tut ihr das nicht auch dort, wo es um die großen und wichtigen Themen des
Lebens geht?
In den Kirchen wird gerade heftig über die neuen digitalen Formen des Gottesdienstes oder des
Konfirmandenunterrichts diskutiert. Ich kann diese als die Lösung für die Zukunft hochjubeln oder
als die endgültige Abkehr von allem, was uns lieb und heilig ist, verteufeln. Ich kann den Ball aber
auch flach halten, mich über die Erweiterung der Möglichkeiten freuen, dankbar dafür sein, dass ich
trotz vieler Einschränkungen handlungsfähig bleibe und genauso auch die Grenzen und Risiken dieser
Entwicklung sehen und berücksichtigen.
Der Bauer in unserem Gleichnis ist doch nicht doof. Der weiß doch um die Gründe, warum viele
seiner Saatkörner nicht aufgehen. Aber er hört deshalb mit dem Säen nicht auf, um in einer
Grundsatzdiskussion zu klären, ob es nicht doch einen Weg zum Erfolg gäbe, ohne Risiken und
Unwägbarkeiten, ohne Verluste und Frustrationen. Dazu ist ihm die Zeit zu schade. Während wir
darüber streiten, ob wir denn wirklich alles richtig machen, zieht das Leben an uns vorüber und mit
ihm die Chance herauszufinden, was uns weiterbringt. Gott weißt uns einen andern Weg. Für den
braucht es Geduld und Ausdauer und jede Menge Mut. Aber so ist das Leben. Macht mal, ihr könnt
das, sagt uns Gott. Und wenn es uns an Mut fehlt, an Weisheit, an Einsicht, an Zuversicht oder
Geduld, dann dürfen wir Gott um all dies bitten. Er lässt uns nicht allein. Amen.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Lukas 6,36
Wir haben uns im Konfirmandenunterricht mit der Jahreslosung und ihrer Bedeutung auseinandergesetzt. Am Ende habe ich die Konfirmanden gebeten, ihre Meinung in Form von Plakaten auszudrücken. Diesehaben sie gerade sehen können.
Die Konfirmanden haben Barmherzigkeit vor allem als eine Form des Umgangs mit anderen
gedeutet. Ein offenes Herz haben für andere, deren Not sehen und helfen. Das ist ja auch ein
zentraler Aspekt von Barmherzigkeit.
Anderen Menschen beizustehen, ist ein Verhalten, das sich nicht auf die beschränkt, die an Gott
glauben. Aber wer zu dem Gott gehören möchte, der uns in der Bibel bezeugt wird, hat allen Grund
Barmherzigkeit zu üben, denn das verbindet ihn mit einem Gott, der sich immer wieder über uns
Menschen erbarmt. Barmherzigkeit zählt bei Gott mehr als die Herkunft eines Menschen, sein
theologisches Wissen, seine frommen Anstrengungen oder die Opfer, die er für seinen Glauben zu
bringen bereit ist. Es geht bei der Nächstenliebe gerade nicht darum, sich selbst zu opfern, sondern
die Freiheit zu verwirklichen, die das Wissen, von Gott geliebt zu sein, mir schenkt.
Neben dem Umgang mit den Mitmenschen und der Beziehung zu Gott, gibt es aber noch einen
weiteren Aspekt von Barmherzigkeit. Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Dieser
Vers steht im Lukasevangelium in einem Kontext, in dem es um das Urteilen geht. Wir sind ja
schnell dabei, Urteile über andere Menschen zu fällen und umgekehrt ist des den meisten von uns
nicht egal, wie die andere uns beurteilen. Im Lukasevangelium heißt es dazu: Richtet nicht, so
werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird
euch vergeben. Unsere Urteile über andere fallen am Ende auf uns selbst zurück. Es ist töricht den
Splitter im Auge des anderen anzuprangern und den Balken vorm eigene Kopf zu übersehen. Aber
genau das passiert doch leider viel zu oft.
Was dagegen hilft ist, sich in Barmherzigkeit zu üben - auch gegenüber sich selbst.
Barmherzigkeit bedeutet, Not zu sehen und sich ihrer anzunehmen. Das gilt aber nicht nur für die
Nöte anderer, sondern auch für die eigenen. Barmherzig zu sein, bedeutet die eigenen Bedürfnisse
wahr und ernst zu nehmen, statt mich permanent selbst zu verleugnen. Ich mag mir dann toll
vorkommen, aber das bin ich nicht wirklich. Vor Gott trage ich auch eine Verantwortung gegenüber
mir selbst. Barmherzigkeit bedeutet nicht nur sich anderer anzunehmen, sondern auch mich selbst
annehmen zu können. Wer sich selbst nicht lieben kann und sich deshalb in die Liebe zum Nächsten
flüchtet, der tut sich selbst und den anderen einen Bärendienst. So eine Form der Nächstenliebe
sieht eben nicht hin, sondern benutzt andere nur dazu, sich selbst zu bestätigen. Solange ich das
meine tun zu müssen, hat mich Gottes Liebe noch gar nicht erreicht. Denn die macht frei. Frei auch
von dem Zwang mich ständig mit anderen vergleichen zu müssen, frei von der Angst, dass andere
auf mich herabsehen könnten. Ein Helfen, das darauf zielt, mich vor anderen in ein gutes Licht zu
setzen, hat mit Nächstenliebe wenig zu tun. Das funktioniert auch ganz ohne Gott. Aber genau
darin liegt auch das Problem. Ein Mensch, der sich selbst so unter Druck setzt, andere entweder als
Konkurrenten oder als Objekte für seine Bestätigungswünsche sieht, Gott wenn überhaupt dann nur
als richtende Instanz wahrnimmt, verurteilt sich selbst zu einer existentiellen Einsamkeit, der ist so
allein, wie man nur allein sein kann.
Helfen wollen ist das eine. Hilfe anzunehmen etwas ganz anderes. Im ersten Fall fühle ich mich
stark, im anderen Fall fürchten viele, sich eine Blöße zu geben. Deshalb verlaufen Hilfsangebote
im Sande, deshalb besteht Not fort, obwohl es Möglichkeiten gäbe, sie zu wenden. Wer dem
anderen als Objekt seiner Selbstbestätigung sieht, wird es diesem sehr schwer machen, sein
Hilfsangebot anzunehmen. Denn was so großherzig daherkommt, ist eingehüllt in eine vergiftete
Atmosphäre. Selbsterhöhung für den einen und Erniedrigung für den anderen, dass kommt bei dem
Gott, der selbst aus Liebe vom Himmel herabgestiegen ist, überhaupt nicht gut an. Und auch mir
selbst tue ich damit keinen Gefallen, weil ich mich immer weiter in einem selbstgestrickten Netz
verfange und das Joch, das ich mir auferlege, immer schwerer wird.
Die Einsamkeit endet, wenn ich mich traue, mich dorthin zu begeben, wo Gott längst schon auf
mich wartet. Ich darf mich meiner Schwäche und meinen Abgründen stellen, weil Gott mich
niemals aufgibt. Niemand zwingt mich, mehr sein zu als ich bin. Nicht die Menschen, die mich
lieben oder Gott, der mich liebt - ich allein bin es, der das von mir verlangt. Barmherzigkeit auch
gegenüber mir selbst ist der Schlüssel zu der inneren Freiheit, zu der Gott uns alle berufen hat.
Ohne diese Freiheit ist wirkliche Nächstenliebe nicht möglich. Deshalb gilt auch gegenüber mir
selbst: Sei barmherzig, so wie Gott barmherzig ist. Amen.
01/24/21
1 Es war die Zeit, als das Volk Israel noch von Richtern geführt wurde. Weil im Land eine
Hungersnot herrschte, verließ ein Mann aus Betlehem im Gebiet von Juda seine Heimatstadt und
suchte mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen Zuflucht im Land Moab. a
2 Der Mann hieß Elimelech, die Frau Noomi;A die Söhne waren Machlon und Kiljon. Die Familie
gehörte zur Sippe Efrat, die in Betlehem in Juda lebte.
Während sie im Land Moab waren, a
3 starb Elimelech, und Noomi blieb mit ihren beiden Söhnen allein zurück.
4 Die Söhne heirateten zwei moabitische Frauen, Orpa und Rut. Aber zehn Jahre später starben
auch Machlon und Kiljon,
5 und ihre Mutter Noomi war nun ganz allein, ohne Mann und ohne Kinder.
6-7 Als sie erfuhr, daß der HERR seinem Volk geholfen hatte und es in Juda wieder zu essen gab,
entschloß sie sich, das Land Moab zu verlassen und nach Juda zurückzukehren. Ihre
Schwiegertöchter gingen mit.
8 Unterwegs sagte sie zu den beiden: »Kehrt wieder um! Geht zurück, jede ins Haus ihrer Mutter!
Der HERR vergelte euch alles Gute, das ihr an den Verstorbenen und an mir getan habt.
9 Er gebe euch wieder einen Mann und lasse euch ein neues Zuhause finden.«
Noomi küßte die beiden zum Abschied. Doch sie weinten
10 und sagten zu ihr: »Wir verlassen dich nicht! Wir gehen mit dir zu deinem Volk.«
11 Noomi wehrte ab: »Kehrt doch um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Habe ich
etwa noch Söhne zu erwarten, die eure Männer werden könnten?
12 Geht, meine Töchter, kehrt um! Ich bin zu alt, um noch einmal zu heiraten. Und selbst wenn es
möglich wäre und ich es noch heute tun würde und dann Söhne zur Welt brächte -
13 wolltet ihr etwa warten, bis sie groß geworden sind? Wolltet ihr so lange allein bleiben und auf
einen Mann warten? Nein, meine Töchter! Ich kann euch nicht zumuten, daß ihr das bittere
Schicksal teilt, das der HERR mir bereitet hat.«
14 Da weinten Rut und Orpa noch mehr. Orpa küßte ihre Schwiegermutter und nahm Abschied;
aber Rut blieb bei ihr.
15 Noomi redete ihr zu: »Du siehst, deine Schwägerin ist zu ihrem Volk und zu ihrem Gott
zurückgegangen. Mach es wie sie, geh ihr nach!«
16 Aber Rut antwortete: »Dränge mich nicht, dich auch zu verlassen. Ich gehe nicht weg von dir!
Wohin du gehst, dorthin gehe ich auch; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk,
und dein Gott ist mein Gott. a
17 Wo du stirbst, will ich auch sterben, und dort will ich begraben werden. Der Zorn des HERRN
soll mich treffen, wenn ich nicht Wort halte: Nur der Tod kann mich von dir trennen!«
Ankunft in Betlehem
18 Als Noomi sah, daß Rut so fest entschlossen war, gab sie es auf, sie zur Heimkehr zu überreden.
19 So gingen die beiden miteinander bis nach Betlehem.
2 Ruth 1,1-19a 3neph3 24.01.2021
Wohin du gehst, dorthin gehe ich auch; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk,
und dein Gott ist mein Gott. 17 Wo du stirbst, will ich auch sterben, und dort will ich begraben
werden.
Diese Verse aus unserer Geschichte wurden und werden gerne als Trauspruch gewählt. Wenn man
sie so aus dem Zusammenhang genommen hört, dann kann ich das gut verstehen. Sie bringen das
auf den Punkt, was sich zwei Menschen miteinander vornehmen.
Allerdings geht es in unserem Predigttext nicht um die Beziehung von Mann und Frau und auch
nicht um die eines gleichgeschlechtlichen Paares. Diese schönen Worte sagt eine Schwiegertochter
zur Schwiegermutter. Allen schlechten Scherzen zum trotz, kommt es in der Tat vor, dass zwischen
der Gattin und der Mutter eines Mannes ein so inniges Verhältnis entsteht. Die Regel ist das
allerdings nicht. Auch ansonsten haben wir es hier mit allem anderem als einer romantischen
Erzählung zu tun. Es geht um die Not, in die Frauen in einer vom Patriarchat geprägten
Gesellschaft geraten können und es geht um Solidarität unter Frauen, die nie selbstverständlich ist
schon gar nicht in der Konstellation, die wir in dieser Geschichte vorfinden. Denn es geht auch um
den Umgang mit Fremden, um Flucht und um Integration. Und es geht um Treue, Nächstenliebe,
Erbarmen, um das, was uns mit dem Gott, der uns in der Bibel begegnet, vereint. Wir hören von
ungewöhnlichem, ja skandalösem Verhalten und es wird uns vor Augen geführt, dass Gott auf
krummen Linien grade schreiben kann, wie es Helmut Gollwitzer einst formuliert hat. Es ist eine
herrliche Geschichte, die all die Vorurteile gegenüber der Bibel widerlegt und die ich all jenen, die
die Bibel nicht mehr aufschlagen, weil sie meinen, eh zu wissen, was da drin steht nur wärmstens
empfehlen kann.
Also machen wir einen Ausflug in eine längst vergangene Zeit, auch wenn so manches, was hier
berichtet wird, uns durchaus vertraut sein dürfte. Da haben wir zunächst eine Familie von
Wirtschaftsflüchtlingen. Eine anhaltende Dürre in ihrer Heimat zwingt sie dazu bei einem
Nachbarvolk, den Moabitern, Zuflucht zu suchen. Offensichtlich ist man um Integration bemüht,
denn die Söhne heiraten Frauen aus der neuen Heimat. Aber so einfach ist das natürlich nicht. Auch
heute nicht, selbst wenn man sich progressiv gibt und vermeintlich keine Vorurteile gegen
irgendjemand hegt. Dem Fremden auf der Urlaubsreise zu begegnen oder in der eigenen Familie,
das sind eben zwei paar Schuhe. Besser man bzw. frau stellt sich der Herausforderung und erwartet
nicht von sich und den anderen, dass das doch alles easy sei. Im Buch Esra und auch in anderen
biblischen Büchern wird heftig gegen so eine Verbindung zwischen Juden und Nichtjuden
polemisiert und auch heute noch ist es der Alptraum einer konservativ eingestellten jüdischen
Mutter, wenn der Sohn eine Schickse mit nach Hause bringt und sogar auch noch zu heiraten
gedenkt. Im Judentum hat sich die Regel durchgesetzt, dass Jude ist, wer eine Jüdin zur Mutter hat.
Eine weise Entscheidung. Auch patriarchalisch denkende Männer wissen um die Tücken einer
Vaterschaft, die erst seit der Entwicklung von Gentests sicher nachgewiesen werden kann.
Wer weiß, welche Dramen sich noch in der Generation meiner Eltern abspielten, wenn die Braut
oder der Bräutigam die falsche Konfession mitbrachte, wird sich denken können, dass Noomi nicht
unbedingt begeistert über die Entscheidung ihrer Söhne gewesen sein dürfte. Aber es zeigt sich,
dass sie da Glück gehabt hat, obwohl zunächst das Unglück über sie hereinbricht. Erst stirbt ihr
3 Ruth 1,1-19a 3neph3 24.01.2021
Mann und dann die beiden Söhne. Ohne einen männlichen Beschützer war eine Frau damals
schutzlos der Willkür anderer ausgeliefert. Es gab keine Polizei. Nur die Angst, dass einen die
Brüder und Cousins, Väter und Onkel einer Frau zur Verantwortung ziehen, verhinderte Übergriffe
jeglicher Art. Noomi steht nun ohne diesen Schutz da. Ihre Schwiegertöchter haben immerhin noch
die Möglichkeit zu ihren Ursprungsfamilien zurückzukehren, wobei das keine wirklich verlockende
Perspektive ist. Aufnehmen würde man sie dort schon und auch versorgen, aber zugleich tunlichst
schauen, dass man sie erneut verheiraten kann, damit sie der Familie nicht zur Last fallen und das
tun, wozu sie nach damaliger Vorstellung bestimmt sind: Nachkommen in die Welt zu bringen.
Diese Vorstellung stand alles beherrschend über dem Leben jeder Frau, entschied über deren Wert
und Unwert. Die Vorstellung war so dominant, dass Frauen auch bizarre Wege gingen, um dieser
Aufgabe gerecht zu werden. Wie Tamar, die Schwiegertochter Judas, deren Mann stirbt. Onan, ihr
Schwager, soll sie heiraten und mit ihr ein Kind zeugen, dass dann als Nachkomme des
Verstorbenen gälte. Aber Onan hat dazu keine Lust, er unterbricht den Beischlaf und lässt es auf
den Boden fallen, wie die Bibel so schön beschreibt. Dass er seinem Bruder die Nachkommen
verweigert und ihn damit zu einem ewigen Tod verbannt, gefällt Gott gar nicht und deshalb muss
auch Onan sterben. Daraufhin weigern sich alle anderen Brüder ihrer Schwägerin beizuwohnen und
ihre Pflicht zu erfüllen, dem verstorbenen Bruder Nachkommen zu verschaffen. So greift Tamar zu
einer List. Sie verkleidet sich als Prostituierte, schläft mit ihrem Schwiegervater und lässt sich als
Bezahlung dessen Siegelring geben. Als sich herausstellt, dass sie schwanger ist und der
Schwiegervater sie der Untreue bezichtigt, zeigt sie ihm den Ring und er muss beschämt erkennen,
dass seine Schwiegertochter ihren verstorbenen Ehemann treuer war als dessen Brüder. Tamar hat
dafür gesorgt, dass die Blutlinie nicht abbricht und ihr verstorbener Ehemann in seinen Kindern
weiterlebt. Sie hat ihm Barmherzigkeit erwiesen. Sie hat das getan, was ihm seine Familie
eigentlich schuldig gewesen wäre. Chäsäd lautet das hebräische Wort, das wir mit Barmherzigkeit
übersetzen, das aber auch Treue, Solidarität beinhaltet. Tamar ist eine Kanaanäerin, eine Fremde, so
wie Ruth, die sich zu ihrer Schwiegermutter bekennt, aber beide tun genau das, was Gott von denen
erwartet, die zu ihm gehören wollen. Die Herkunft ist nicht entscheidend, sondern das Handeln, so
wie es uns Jesus auch im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter beschreibt. Zu dem barmherzigen
Gott, der die Not seines Volkes in Ägyptern gesehen hat, der sich von dieser Not berühren und
verpflichten lies, gehören alle die, die ebenso wie er handeln. Die Herkunft und alles andere, worauf
wir Menschen uns gerne etwas einbilden, worin wir Zuflucht suchen und von dem wir uns
Sicherheit erhoffen in einer sich ständig sich ändernden Welt, all das hat vor Gott keinen Bestand,
ist ihm nicht einmal ein müdes Lächeln wert. Ganz im Gegenteil fordern wir seinen Zorn heraus,
wenn wir nicht aufhören, uns goldene Kälber zu gießen, diese uralte Torheit immer und immer
wieder begehen, etwas auf den Thron Gottes zu heben, was dort nicht hingehört, weil es doch dem
Bereich des Geschaffenen angehört.
Die Welt könnte anders aussehen, wenn wir Menschen dieser Versuchung nicht immer und immer
wieder erliegen würden, aber es geht auch anders. Davon erzählt uns die Bibel. Davon handelt
unsere heutige Geschichte. Naomi und Ruth, diese beiden tapferen Frauen, in einer scheinbar
ausweglosen Situation, halten zueinander, kehren in Naomis alte Heimat Judäa zurück und finden
4 Ruth 1,1-19a 3neph3 24.01.2021
heraus, welchem männliche Verwandten die Aufgabe zukäme, Ruth zu heiraten und damit sowohl
ihr als auch ihrem verstorbenen Mann und ihrer Schwiegermutter eine Zukunft zu eröffnen. Boas
heißt der Glückliche und die beiden Frauen finden Mittel und Wege, um Boas zu seinem Glück zu
verhelfen. Ruth kann ihn für sich gewinnen und aus den beiden wird ein glückliches Paar. Zu ihren
Nachkommen zählt König David. Im Stammbau Jesu, wie wir ihn beim Evangelisten Matthäus
finden, taucht Ruth auf genauso wie Tamar und Rahab, alle drei sind Nichtjüdinnen,
Ausländerinnen und noch dazu mit zweifelhaften Ruf. Rahab war die Prostituierte, die die
Kundschafter, die Josua nach Jericho geschickt hatte, versteckte und ihnen half, wieder aus der
Stadt zu kommen. Chäsed hat auch sie geübt, Erbarmen und Solidarität, was Parteilichkeit nicht
ausschließt. Der Gott, der sich der Not seines Volkes in Ägypten erbarmt, ertränkt die Armee des
Pharao im Meer, nachdem er zuvor alle Erstgeborenen in Ägypten hat umkommen lassen. Den
barmherzigen Gott sollte man nicht mit einem lieben Gott verwechseln, jenem harmlosen
Tattergreis, den niemand fürchten muss, den aber auch niemand wirklich braucht. In der Bibel
begegnen wir einem sehr lebendigen Gott, der voller Liebe ist, aber auch voller Zorn sein kann,
wenn sich Menschen über andere erheben, wenn sie einander Gewalt antun, einander unterdrücken,
statt einander zu dienen, sich einander anzunehmen, hin zu sehen und zu handeln, was gar nichts
großartiges sein muss und doch diese Welt verändern kann. Eine mutmachende Geschichte ist das,
was da von Rut und Naomi erzählt wird, und sie ist nicht die einzige. Also lasst uns unsere
frommen oder unfrommen Scheuklappen zur Seite legen und dieses Buch als das wahrnehmen, was
es ist: Ein spannendes, ein sehr lebendiges Buch, das von einem spannenden und lebendigen Gott
erzählt, der so ganz anders ist als wir es uns oft vorstellen. Gott sei Dank. Amen.
Vertrauen Corona Freiheit Verantwortung Geborgenheit
Matthäus 6, 5-15 "Betet"
Wie erleben Jugendliche und junge Erwachsene die Musik in unseren Gottesdiensten ?
Marcus Baumberger, Winzer aus Mandel, Iris Führ Berufsschullehrerin an der Weinbauschule Bad Kreuznach i.R. und Presbyterin und Pfarrer Stephan Maus beschreiben ihre jeweiligen Zugänge zum Bildwort vom Weinstock Joh 15,1-12
Die politische Dimension des Bildes vom guten Hirten
Wann gibt der Glaube mir Kraft? Von Sinn und Unsinn spiritueller Bemühungen.
Konfirmanden aus Bockenau, Mandel, Sponheim und Burgsponheim und Pfarrer Maus denken gemeinsam über das Thema Auferstehung nach. Kombination aus Videoclips der Konfis und einer Videopredigt von Stephan Maus.